Gesunde Familienküche
Dass Obst und Gemüse gesund sind, ist hinlänglich bekannt. Über das, warum eine vielfältige, pflanzenbasierte Ernährung schon von klein an für unsere allgemeine Gesundheit enorm wichtig ist, habe ich im Artikel Darmgesundheit, das Darm-Mikrobiom und die Darm-Hirn-Achse geschrieben. Aber wie bringt man Kinder dazu, Gemüse (und andere wenig geliebte Lebensmittel) zu mögen?
Kinder sind von Geburt an darauf geprägt, einen süßen Geschmack gegenüber bitterem oder saurem zu bevorzugen. Bis sie sich an eine neue Geschmacksrichtung gewöhnt haben, kann es allerdings ein wenig dauern: ein neues Lebensmittel muss mindestens sechsmal – oft bis zu fünfzehn Mal – probiert werden, bis der neue Geschmack gemocht oder zumindest akzeptiert wird. Es ist also wichtig, den Geschmackssinn von Kindern bereits ab dem Beikostalter zu schulen und mit einer großen Auswahl an Gemüse, Obst und anderen vollwertigen Lebensmitteln vertraut zu machen. Und diese auch immer wieder probieren zu lassen, auch wenn der neue Geschmack anfangs vielleicht abgelehnt wird. Der Geschmackssinn entwickelt sich stetig weiter, weshalb wir unsere Kinder dazu ermutigen sollten, etwas erneut zu probieren – auch wenn sie es vor einiger Zeit schon mal abgelehnt haben.
Ab einem gewissen Alter funktioniert es ganz gut, Kindern zu erklären, wie sich der Geschmack im Laufe der Zeit entwickelt und sie lernen können, etwas zu mögen, das sie bisher vielleicht nicht so gerne gemocht haben – ebenso, wie sie lernen immer höhere Türme zu bauen oder Buchstaben und Zahlen zu erkennen. Oder auch, dass man etwas unter bestimmten Umständen mögen kann und es nicht ein generelles Ja oder Nein sein muss: roh gesnackt hat zum Beispiel Paprika einen ganz anderen Geschmack und eine andere Konsistenz als gebraten.
Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt – oder doch nicht?
Die Einstellung, dass es nur das gibt, was am Tisch steht, und sonst eben nichts gegessen wird, finde ich persönlich nicht gut. Kinder können – oder dürfen – in vielen Fällen nicht mitentscheiden, was gekocht wird. Und wenn doch, sind die Wünsche oft sehr einseitig (hallo, Nudeln mit Tomatensauce!). Aber sie sollen dann essen, worauf sie vielleicht gar keine Lust haben oder was ihnen nicht schmeckt? Es ist oft kein einfaches Thema.
Ich versuche, unsere Kinder so gut es geht in die Essenswahl mit einzubeziehen. Entweder, indem es auch immer wieder die Lieblingsgerichte der Kids gibt oder ich sie nach Ideen frage und wir uns gemeinsam auf etwas einigen – auch wenn es nicht das Lieblingsessen ist, mitentscheiden gibt ein gutes Gefühl und führt dazu, dass es lieber gegessen wird. Oder wir finden eine Lösung, wie wir ein Rezept abwandeln können, sodass es für alle passt. Und wenn es einen verlässlichen Plan gibt oder die Kids aus einer zuvor festgelegten Auswahl entscheiden können, was wir an diesem Tag kochen, können sie sich darauf einstellen, was auf den Tisch kommt.
Vor kurzem war ich ganz überrascht, als bei uns als Vorschläge für das Mittagessen Rote-Rüben-Laibchen und Spinat-Tortellini mit Rucola-Pesto genannt wurden. Spinat wird eigentlich nur als Tortellini-Füllung im Kindergarten gegessen. Bisher haben wir zu Hause noch nicht den richtigen Geschmack getroffen. Ich habe mich sehr über die Bereitschaft, es wieder einmal zu probieren, gefreut. Auch wenn wir letztendlich die Füllung wieder aus den Teigtaschen herausgegeben haben, weil es leider nicht der erwartete Geschmack war.
Bei uns gibt es fast immer eine Alternative, wenn etwas überhaupt nicht schmeckt – Brot und Snackgemüse ist immer da und verfügbar; oder es wird nur der Teil gegessen, der auch schmeckt. Das ist eben auch manchmal der trockene Reis; dafür gleicht es sich durch eine halbe Gurke und eine Handvoll Tomaten bei der nächsten Mahlzeit wieder aus. Jedenfalls gibt es aber bei uns keine süßen oder ungesunden Alternativen, nur damit “überhaupt etwas gegessen wird”. Wird immer auf gewohntes zurückgegriffen, wird der Geschmackssinn nicht geschult und kann sich auch nicht weiterentwickeln.
Ein Gericht für die ganze Familie?
Gerade für Kleinkinder ist es ohnehin oft viel spannender, von dem zu essen, was Mama und Papa oder die größeren Geschwister auf dem Teller haben. Warum also das Familienessen nicht gleich so planen und zubereiten, dass es für alle Familienmitglieder einfach adaptiert werden kann? Für die ganz Kleinen kann dasselbe Gemüse einfach ungewürzt gedämpft oder gebraten und anschließend als Fingerfood oder Brei serviert werden. Bei Kleinkindern wird das gesamte Gericht sehr sparsam gewürzt, ältere Kinder und Erwachsene können dann am Tisch nachwürzen; alternativ gibt man eine Portion für das Kleinkind beiseite und würzt das fertige Gericht insgesamt nach. Oder es gibt diverse Saucen, Dips und Toppings, die jeder nach Lust und Laune selbst ergänzen kann. So kann fast jedes Gericht passend für die ganze Familie zubereitet werden.
Und wenn ich doch etwas kochen möchte, von dem ich weiß, dass es nur uns Erwachsenen schmecken wird, dann plane ich bereits im Vorhinein eine Alternative für die Kids: entweder lässt es sich so abwandeln, dass es mit nur einem Teil der Zutaten oder weniger Gewürzen passt oder es gibt ein anderes, einfaches Gericht, das sich aus denselben Zutaten zubereiten lässt. So gewinnen alle und der zusätzliche Aufwand hält sich in Grenzen.
Unsere Tipps, um mehr Gemüse in die tägliche (Kinder-)Ernährung zu bringen
Wie bereits erwähnt sind Kinder also auf einen süßen Geschmack geprägt und mögen daher Obst meist sehr gerne; ausreichend Gemüse kann aber immer wieder eine Herausforderung sein. Hier ein paar Anregungen, wie wir unsere Kids dazu bringen, mehr Gemüse zu probieren:
Käse, Öl & Dips: Gemüse verfeinern
Die meisten Gemüsesorten enthalten kein Fett. Fett dient jedoch als Geschmacksträger; es verstärkt den Eigengeschmack und gibt ein cremiges Mundgefühl. Während gedünsteter Brokkoli also ziemlich langweilig schmecken kann, bekommt er mit etwas Olivenöl im Ofen geröstet einen ganz anderen Geschmack – und auch eine andere Textur. Oft liegt es nämlich nicht (nur) am Geschmack, warum Kinder ein bestimmtes Gemüse nicht mögen. Kombiniert mit etwas Käse, Hummus oder einem Topfen-Dip kommt eine weitere Geschmackskomponente dazu und der zuvor langweilige Brokkoli wird nicht nur interessanter im Geschmack, er ist zudem auch noch sättigender.
Ähnlich verhält es sich mit Kräutern und Gewürzen: Es muss nicht immer Salz sein, um den Geschmack eines Gemüses zu verstärken; Gemüse und Kräuter ergänzen sich perfekt. Tomaten und Basilikum, Kartoffeln und Petersilie, Pilze und Thymian, Gurke und Minze, Fisolen und Bohnenkraut … es gibt so viele Kräuter und Gemüsesorten, die kombiniert werden können. Und auch für uns Erwachsene ist es spannend, mal einen neuen Geschmack zu probieren.
Das bringt mich auch gleich zum nächsten Punkt:
Kräuter-Kinder-Garten: Kräuter und Snackgemüse pflanzen
Unsere Kids lieben es, sich ein paar Schnittlauchhalme aus dem Kräuterbeet zu pflücken und gleich zu essen; immer wieder laufen sie durch den Gemüsegarten und probieren verschiedene Sorten. Sie finden es spannend zu sehen, was man alles essen kann, wie unterschiedlich Kräuter schmecken und wollten schon früh ihre eigenen kleinen Beete haben, um die sie sich kümmern durften. Zu beobachten, wie etwas wächst, wie lange es dauert, bis aus einem kleinen Samenkorn ein fertiges Radieschen gewachsen ist und was passiert, wenn man die Pflänzchen vernachlässigt, ist ein faszinierendes Erlebnis.
Besonders toll finden sie es, dass man auch “Blumen” essen kann: Blühende Kräuter wie Kapuzinerkresse und Borretsch oder Gänseblümchen und Schnittlauchblüten sehen nicht nur hübsch aus, sondern schmecken auch. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Butterbrot mit Schnittlauchblüten – oder einer Kapuzinerkresse-Blüte statt dem Radieschen zur Abendjause? Essbare Blüten und Kräuter bereichern nicht nur den Garten, sie können auch in einem kleinen Topf auf dem Balkon oder in der Küche ganz unkompliziert wachsen.
Und für den Garten bietet sich auch Snackgemüse hervorragend an: Paprika, Tomaten oder Erbsen werden bei uns während dem Spielen einfach direkt von der Staude genascht.
Gemüse “verstecken”
Was aber, wenn die Bereitschaft, etwas Neues zu probieren, nicht besonders groß ist?
Manches Gemüse hat sehr wenig Eigengeschmack und lässt sich gut in Suppen, Smoothies oder Teige mischen, ohne dass man es groß bemerken würde. Anderes lässt sich gut kombinieren und verliert dadurch einen recht intensiven Geschmack, den es pur gegessen haben würde. So kann man es schaffen, dass Gemüse probiert wird, das in anderer Form vielleicht abgelehnt worden ist.
Zuerst möchte ich dazu noch sagen: Ich finde es nicht gut, Kindern etwas unterzujubeln, das sie bekanntermaßen nicht mögen und es – wenn sie es merken – kleinzureden à la “da ist ja nur ganz wenig drin” oder “das schmeckt man ja nicht” … Das zerstört im schlimmsten Fall das Vertrauen und die Offenheit, beim nächsten Mal wieder etwas zu probieren. Was ich hingegen mache, ist, etwas bewusst mit Zutaten, die sie eher wenig oder nicht mögen, zuzubereiten und sie probieren zu lassen.
Auf die Frage, ob Spinat in die Palatschinken darf, wird die Antwort vermutlich nein sein. Werden aber grüne Dino-Palatschinken serviert, sieht das oftmals ganz anders aus. Auf Nachfrage erzähle ich auch offen, welche Zutaten genau drin sind. Das Risiko dabei ist natürlich, dass es danach doch abgelehnt wird. Dessen bin ich mir bewusst und es ist auch okay für mich, sollte das der Fall sein. Es wurde etwas Neues probiert, entweder etwas Unbekanntes oder vielleicht sogar in dem Wissen, dass da etwas drin ist, das normalerweise nicht schmeckt – und das ist ein großer Erfolg.
Wenn ich also weiß, dass den Kids etwas nicht schmeckt oder nicht schmecken könnte, bereite ich es in erster Linie für uns Erwachsene zu – so, dass die Kinder probieren können und es davon auch ausreichend für sie gibt, wenn es schmeckt. Gleichzeitig gibt es aber auch eine Alternative, die serviert wird, falls sie es wirklich nicht essen möchten – diese wird jedoch nicht im Vorhinein angeboten. Im Fall der oben erwähnten Palatschinken würde das dann so aussehen, dass ich entweder frage, ob wir grüne Dino-Palatschinken ausprobieren wollen oder – falls wir es nicht abgestimmt haben – ich eine Hälfte grün gefärbte Palatschinken zubereite und die andere Hälfte wie gewohnt wird. Sollten die grünen Palatschinken nicht schmecken, werden eben die anderen serviert. Und aus dem Rest werden pikant gefüllte Wraps für uns Erwachsene.
Wichtig ist auch, im Vorhinein keine falschen Erwartungen zu wecken, hier ist die Formulierung von Bedeutung. Sage ich: “Es gibt Palatschinken”, werden sie mich wahrscheinlich fragen, warum die denn grün sind, wenn sie zu Tisch kommen und essen wollen. Schließlich war die Erwartung, dass es die gewohnten Palatschinken gibt. Sage ich aber: "Ich habe etwas Neues ausprobiert und bin gespannt, wie es euch schmeckt”, ist die Erwartungshaltung eine ganz andere und die Bereitschaft, es auszuprobieren, deutlich größer. Und vielleicht gibt es sogar die Idee, beim nächsten Mal eine andere Farbe zu versuchen: Rote Rübe färbt den Teig zum Beispiel rosa oder es gibt orangefarbene Palatschinken mit Karotte.
So lässt sich Gemüse auch noch gut untermischen:
Cremesuppen sind eine gute Möglichkeit, sehr viele Gemüsesorten “unsichtbar” werden zu lassen. Und es lassen sich sogar Hülsenfrüchte integrieren: rote oder gelbe Linsen passen zum Beispiel gut in eine cremige Süßkartoffel-Suppe.
Auch Smoothies bieten sich an: Avocado macht den Smoothie wunderbar cremig, Spinat gibt eine schöne grüne Farbe (darauf achten, dass die anderen Zutaten gelb oder grün sind, sonst wird es schnell unschön braun) und Rote Rübe färbt ihn knallig pink (und gemischt mit Joghurt und Himbeeren wird auch der intensive Eigengeschmack abgemildert).
Und bei uns klappt auch alles, was auf Tomatenbasis ist, ganz gut: Pasta mit Linsenbolognese (und sehr klein geschnittenem Gemüse) oder Minestrone mit weißen Bohnen. Nur in die klassische Tomatensauce darf nicht zu viel hinein. Da hab’ ich dann auch schon die Bitte bekommen: Aber können wir das nächste Mal wieder die gekaufte Tomatensauce verwenden? Die schmeckt mir besser …
Gemüsebuffet: Gemüse einzeln servieren
Was bei einer kalten Jause gut funktioniert, nämlich, dass verschiedene Sorten an Gemüse, Gebäck und Aufstrichen am Tisch stehen und jeder nehmen kann, was ihm schmeckt, klappt auch bei anderen Gerichten.
Die Zutaten für einen gemischten Salat können in unterschiedlichen Schüsseln auf den Tisch gestellt werden, sodass die Kinder selbst entscheiden können, was sie gerne essen möchten. Das Dressing gibt dann jeder in seine eigene Salatschüssel. Oder es werden verschiedene Sorten an Ofengemüse in einzelnen Ofenformen zubereitet und serviert – jeder nimmt sich, was er mag und es muss nichts “aussortiert” werden.
Auch, wenn ein bestimmtes Gemüse bereits öfter abgelehnt wurde, kann es so immer wieder ohne Zwang angeboten werden – dadurch ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass die Neugierde einmal überwiegt und ein neues Lebensmittel gekostet werden möchte. Zudem lernen die Kinder eine bunte Vielfalt kennen, auch wenn sie nicht alles probieren, was auf dem Tisch steht.
Bei uns werden übrigens manche Gerichte für die Kids auch auf zwei Tellern serviert: auf einen Teller kommen trockener Reis, Nudeln oder ähnliches; die Sauce kommt auf einen zweiten Teller. So kann zwanglos probiert und geschaut werden, was und wieviel davon schmeckt. Manchmal bleibt es beim probieren, manchmal wird beides nacheinander gegessen und manchmal dann doch am Tisch gemischt und zusammen gegessen. Jedenfalls kann selbstbestimmt gegessen werden; das macht einen großen Unterschied.
Der Hunger ist riesig: Gemüsesticks vor der eigentlichen Mahlzeit
Es kommt vor, dass es mal etwas länger dauert als gedacht, bis das Essen fertig ist. Oder es duftet schon so gut, sodass der Hunger immer größer wird und die Kinder gleichzeitig immer unruhiger. Eine gute Gelegenheit, die Kids vorübergehend zufrieden zu stellen, sind ein paar Gemüsesticks: Karotte, Gurke, Paprika oder Radieschen, vielleicht auch etwas Kohlrabi oder ein anderes Gemüse, das ansonsten weniger gern gemocht wird. Wenn der Hunger schon so groß ist, werden oft auch weniger gut akzeptierte Gemüsesorten gegessen – natürlich immer in Kombination mit etwas, das gern gegessen wird, sonst kann es schnell den gegenteiligen Effekt haben. Zudem sättigt rohes Gemüse nicht so sehr, sodass noch ausreichend Hunger für die eigentliche Mahlzeit bleibt.
Und noch etwas ganz wichtiges: Vorbild sein
Für die meisten Menschen gibt es vermutlich irgendein Gemüse, das sie nicht so gerne mögen. Das ist auch in Ordnung, doch der Umgang damit ist von Bedeutung. Sobald Kinder merken, dass etwas strikt abgelehnt oder als nicht gut bezeichnet wird, ist es sehr wahrscheinlich, dass auch sie dieses Lebensmittel ablehnen, das sie ansonsten vielleicht gegessen hätten. Es ist also wichtig, auch selbst immer wieder Dinge zu probieren, die man nicht so gerne mag und mit gutem Beispiel voranzugehen.
Und dabei auch ehrlich sein: Meine Kinder lieben Gurke und Paprika als Snackgemüse, ich dagegen mag beides nur bedingt. Paprika im Shakshuka geht gut, ebenso Gurke im Tsatsiki oder Griechischen Salat. Wenn sie mir also von ihrer Gurke eine Scheiben anbieten, nütze ich die Gelegenheit und erkläre, dass auch ich manches nicht so gerne mag. Je nach Situation lehne ich dann entweder ab und schlage vor, dass sie mich beim nächsten Mal gerne wieder fragen können oder es passt gerade und ich lege mir die Gurkenscheibe – zum Beispiel beim Abendessen – auf ein Aufstrichbrot. Und mehr als Nebensatz erwähne ich, dass ich mal wieder Gurke probieren möchte um zu sehen, ob sich mein Geschmack verändert hat und ich sie doch gerne mag; und wenn nicht, dass sich mein Geschmackssinn so daran gewöhnen kann und ich Gurke irgendwann so gerne mag wie sie.